Chaussee der Enthusiasten
Die letzte Show



LESEBÜHNE - 20:00 Uhr
Nur noch am Mittwoch, dem 9.12. in der Alten Kantine

Mittwoch, 29. Mai 2013

Unser schöner Impressionismus

Claude Monets impressionistischer Stil ist nicht zuletzt auf seine zunehmende Kurzsichtigkeit zurückzuführen. Darf man das legendäre Genuschel der Chaussee-der-Enthusiasten-Autoren auch dem Impressionismus zurechnen. Reicht es in zwanzig, dreißig Jahren, wenn wir nur noch locker aneinandergereihte Vokal-Fetzen absondern, dies aber so gekonnt, dass jeder den Schwung unseres Pinsels unserer Zunge bewundert?
Impressionismus, Expressionismus, Dadaismus - sind das letztlich nicht alles Volksschullehrerkategorien, denen zu entziehen wir uns allzeit bemühen sollten? Oder helfen uns die Schubfächer, uns der in ihnen befindlichen Werkzeuge zu bedienen?
Unsere Gäste am Donnerstag sind Spider und Micha Ebeling. Kirsten Fuchs macht übrigens bald wieder Urlaub. Nutzt die raren Gelegenheiten, sie zu sehen.

Mittwoch, 22. Mai 2013

Pfingsten vorbei - Schluss mit dem Christen-Bashing

Muss ein Mann, der seine Mandolinen-Sammlung verkauft hat, um ein Ticket für das womöglich letzte Detlef-Tewes-Konzert in Sunyani zu ergattern, und der dann eine Mittelohrentzündung bekommt, die ihm das Fliegen ins außereuropäische Ausland wegen des Drucks im Flugzeug (er weigert sich, "Flieger" zu sagen) verunmöglicht, am Leben verzweifeln? Wem kann er sich anvertrauen. Selbst ein Psychotherapeut würde sein Leiden unterschätzen.
Doch schauen wir in den Spiegel! Sind wir nicht selbst eine Mischung aus diesem Mandolinen-Freak und dem ignoranten Psychotherapeuten? Vielleicht steckt in uns auch jener Hals-Nasen-Ohren-Arzt, den rechtzeitig zu konsultieren unser Saiten-Instrumenten-Fetischist versäumt hat.
Dass Kirsten Fuchs im Juni wieder bei uns in die literarische Pedale tritt, habt ihr sicherlich schon mitgekriegt. Außerdem morgen bei uns zu Gast der legendäre Thilo Bock. Checkt uns aus.

Mittwoch, 15. Mai 2013

Der Po

Letzte Woche äußerten wir auf der Bühne die Einschätzung, dass Vagina und Penis als Ausdruck geschlechtsspezifischer Temperamente und Determinanten für gesellschaftliche Statuszuschreibungen mittlerweile hinreichend analysiert und beschrieben worden sind: die Scheide als nach innen gekehrtes, verschlossenes, geheimnisvolles Organ, bei der der Besucher – wie bei Frauen im Allgemeinen - oftmals nicht weiß, was ihn erwartet; das Glied dagegen – ganz wie der Mann –, manchmal etwas ungestüm und ungeschickt, dem man seine Befindlichkeit schon von weitem ansieht, aber im Grunde eine ehrliche Haut, um nur kurz den neuesten Stand in Literatur und Wissenschaft zu skizzieren. Die Vagina als Entsprechung weiblicher Reflexion und Introspektion und der Penis als Korrelat männlichen Tatendrangs. Verwundert waren wir angesichts des dazu im krassen Gegensatz stehenden offensichtlichen Desinteresses genderbewegter Autoren und Forscher am menschlichen Po. Hierzu sieht die Lektüreliste erschreckend kurz aus. Selbst wenn man bei google Serena Williams, Jennifer Lopez oder Kim Kardashian eintippt, verweigert die Suchmaschine das naheliegende Autocomplete? Wird hier zensiert? Es ist, als gehöre der Hintern nicht dazu, als wolle sich niemand an ihm die Finger schmutzig machen. Dabei hat jeder Mensch einen und ästhetisch nimmt es ein Arsch mit seinen beiden Widersachern allemal auf, wie Sébastien Tellier eindrücklich darlegt:



Diesen Donnerstag könnt ihr bei uns das Gesäß folgender Autoren und Autorinnen bewundern: Dan Richter, Robert Naumann, Jochen Schmidt, Spider, Kirsten Fuchs und Jess Jochimsen. Da ist eines knackiger als das andere.
S.S.

Samstag, 4. Mai 2013

Was wir hassen

Was wir verabscheuen, ist selten nachvollziehbar. Mit dem, was andere verachten, verhält es sich ähnlich. Leider nutzt sich diese Irrationalität mit der Zeit ab, so sympathisch sie uns Menschen auch macht. Ich erinnere mich noch genau, wie sich mir die Nackenhaare steil aufrichteten, als ich Florian Schröders Comedy das erste Mal im Fernsehen sah. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Mittlerweile steige ich nicht einmal mehr aus der Dusche, um das Radio auszustellen, falls ich ihn morgens auf 95,8 ertragen muss. Von wem soll da die Kraft für Veränderungen ausgehen, wenn man sich selbst an solche Zumutungen gewöhnt? Von mir wahrscheinlich nicht. Vielleicht ist Dan, der Elder Statesman unserer Lesebühne, unsere letzte und einzige Hoffnung. Auch 18 Jahre nach Erscheinen bringt er Joan Osbornes One of us noch den gleichen Hass entgegen wie beim ersten Hören. Uns übrigen erschließt sich dieser Abscheu nicht. Verdient dieser romantische Song wirklich solche Ressentiments? Wohl kaum. Welcher Mensch mit ein bisschen Herz summt da nicht gerne mit? Aber eigentlich ist es uns egal, ob Dan nun ein Herz hat oder nicht, solange er die Gewähr dafür bietet, dass wir zumindest eine Person in unseren Reihen wissen, die wenigstens noch irgendetwas hasst. Denn Hass setzt Energie frei, die eine Kulturvernstaltung nach 20 Uhr erst so richtig spanndend und aufregend macht. Darum werde ich als DJ One of us am nächsten Donnerstag in den Pausen sicherlich immer mal wieder auflegen, sollte ich den Eindruck gewinnen, unserer Lesung fehle es an der nötigen Aggressivität, der Abend entwickle sich zu harmonisch-wohlgefällig. Gerne bringe ich für Zuschauer auch das eine oder andere weitere Neurodermitis-Lied. Sicher ist sicher. Man kann es sich an dieser Stelle wünschen. S.S.

Mittwoch, 1. Mai 2013

Die heißen Eisen

Ein beliebter Vorwurf an unsere Adresse ist der, wir würden unsere Veranstaltung bewusst unpolitisch und seicht halten, um nicht anzuecken und ein möglichst breites Publikum anzusprechen. Dieser Vorwurf ist berechtigt. Nichts fürchten wir mehr, als mit provokanten Inhalten potentielle Besucher unserer Lesebühne zu verschrecken. Das mag feige sein, aber der Erfolg gibt uns recht. Natürlich bewundern wir insgeheim die Poetry Slam-Szene, in der die wirklich heißen Eisen angepackt und Missstände gnadenlos aufgedeckt werden. Auf der Slam-Bühne wird noch gesagt, wo der Schuh drückt, dort nimmt niemand ein Blatt vor den Mund, auch wenn es weh tut. Undenkbar wäre in diesen Kreisen die von uns praktizierte Anbiederung an den Geschmack der gefälliges Entertainment suchenden Massen. Wer die Poetry-Stage erklimmt, der arrangiert sich nicht mit den Übeln unserer Leid produzierenden, kapitalistischen Welt. Er möchte diese verändern, wie folgendes Video anschaulich und beeindruckend dokumentiert: Aber zu solch einer Performance gehört selbstverständlich Mut, schließlich provoziert sie Kritik und Widerstand. Mumm, den wir nicht haben, denn die meisten von uns haben Kinder, manche sogar eine Freundin und ein Eigenheim. Wir hoffen trotzdem, dass wir euch am zweiten Mai begrüßen dürfen. Wir mögen keinen Arsch in der Hose haben, aber dafür strengen wir uns jeden Donnerstag richtig an. Außerdem haben wir wieder Spider eingeladen, dessen Istanbul-Saga mit jedem Teil fesselnder wird. S.S.