Nachdem Jochen Schmidt gefühlte Jahrzehnte lang zwischen Rumänien, Baden-Württemberg und dem Oderbruch jettete, wird er heute als, und ich glaube, hier ist die Vokabel endlich mal berechtigt, Überraschungs-Autor auftauchen.
Kirsten Fuchs ist zwar nicht die Einzige von uns, die Nachwuchs in die Welt setzt, aber die Einzige, bei der man es sehen kann. Ihr seid erwachsen, und wir müssen euch nichts von Blümchen und Bienchen erzählen, damit ihr versteht, dass irgendwann in den nächsten Wochen Biene Kirsten, dem Ruf der Natur folgend ins Bienennest summen wird, um dort ihr Ei auszubrüten und mit Nektar zu versorgen, was sie voraussichtlich vom Vorlesen abhält. Lasst die Gelegenheit, sie live zu erleben, nicht verstreichen.
Andreas Kampa hat auf einem Dachboden verschollene Filme entdeckt, die er nach und nach der elektronischen Öffentlichkeit zugänglich macht. Ob es sein eigener Dachboden war oder der Buster Keatons, wie Ton und Inhalt nahelegen, ist noch ungeklärt. Hier und da sieht man in diesen Thrillern einen kleinen Jungen ins Bild springen, der unserem Andreas sehr ähnelt.
Die Sonne scheint. Stephan Zeisig lässt es sich gut gehen. Schließlich ist er Lehrer. Ein Traumjob. Gerade heutzutage. Man kann Kinder herumkommandieren, sie müssen mit sauberen Fingernägeln in die Schule kommen und sich selbst für extrem ungerechte Strafen bedanken. Am Schultor wartet schon eine geschniegelte Schülerschar jubelnd auf ihn und ruft: "Guten Morgen, mein Französischlehrer!" Aber jetzt sind wieder einmal Ferien. Überhaupt haben Lehrer 40 Wochen Ferien im Jahr. Zeit, die sie dringend benötigen, um ihr dickes Beamtengehalt auf den Kopp zu kloppen.
Robert Naumann erholt sich gerade mit seinen zwei Kindern in Polen. Da er mangels finanzieller Reserven für sie keinen Kinder-Pass beantragen konnte, ist unklar, ob er sie wieder zurück nach Deutschland geschmuggelt kriegt. Vertreten wird Robert heute von KNIXX, einer Indie-Elektronik-Rock-Hop-Kapelle, die auf Englisch singen werden, eine sehr moderne Sprache. Die Sprache der Liebe und der Astronauten.
Im obengenannten Wort "Schmuggeln" ist ein Wort aus dem Harry-Potter-Universum versteckt, das uns Nicht-Zauberer bezeichnet. Im Urlaub war ich im Kino. Eine Woche lang haben sie "Ice Age" gezeigt, bis dieser Streifen (so werden Filme in der Kritikersprache genannt) schließlich von "Harry Potter und der Halbblutprinz" abgelöst wurde. Das gesamte Kino roch nach Teenager-Schweiß und vor mir kuschelten die Mädchen abwechselnd mit ihren linken und dann mit ihren rechten Nachbarinnen. Als dann (Vorsicht Spoiler) Dumbledore stirbt, war für sie der Film praktisch vorbei und sie widmeten sich ihren SMSen, was sollte man jetzt noch auf das Rumgelaber von Horkruxen achtgeben. Vielleicht hatten sie ja recht. Ohnehin wirkt auf mich Hogwarts wie die Sowjetunion der 30er Jahre. Eine angeblich heile Welt, die aber ständig bedroht wird. "Seid wachsam!", rät Dumbledore, wie es damals Berija und Stalin taten. Nach dem Film knüpperte ich mir übrigens eine Theorie über den siebten Horkrux zusammen - quasi die Auflösung aller Rätsel dieser Heptalogie. Bis dahin hatte ich den ersten Band gelesen und die "Feuerkelch"-Verfilmung - ebenfalls im Urlaub - gesehen. Ein Blick in die Wikipedia bestätigte meine Vermutung. Aber was habe ich jetzt davon, recht gehabt zu haben?
Dass in diesem Jahr der volksnahe 30km-Trainingslauf mit dem kommerzialisierten Stadtlauf zusammengelegt wird, macht mich zwar noch nicht zum Kommunisten, aber ich prangere diese Fehlentscheidung doch als typisch spätkapitalistische Verwerfung an.
Zum Schluss noch ein Bild der Enthusiasten von vor neun Jahren, das die Berliner Zeitung nicht druckte, aber euch vielleicht amüsiert.
DR
Donnerstag, 30. Juli 2009
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